Andacht

Monatsspruch November 2021

Der Herr aber richte eure Herzen aus auf die Liebe Gottes und das Warten auf Christus.

2. Thessalonicher 3, 5

Foto: © Klaus Steinike

Pfarrer Ulrich Kastner

Monatsspruch Oktober 2021

Lasst uns aufeinander achthaben

und einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken.

Hebräer 10, 24


Liebe Gemeinde

wenn wir eines lernen konnten aus den Zeiten der Corona-Pandemie, dann wohl dies: auf einander acht zu haben!

Nun kann man dieses Achthaben immer auch bedrohlich, überwachend, strafend verstehen – etwa wie in der dystopischen Parabel des Schriftstellers George Orwell „1984”. Aber im Begriff des Achthabens steckt eher das Achten und das Achtsame, das Aufmerksame, Zugewandte. Und das war es, was zur Corona-Zeit des letzten Jahres besonders gefehlt hat: Die Begegnungen!

Und zwar die aufmerksamen, die freundlichen, die anteilnehmenden Begegnungen.

Wie zahlreich waren die Versuche, die Begegnungen über den Bildschirm zu simulieren. Aber letztlich wurde der Verlust erfahren – es fehlt etwas.

Und das ist der oder die Andere!

Umso überzeugender klingt das Wort aus dem Brief an die Hebräer: Lasst uns aufeinander achthaben.

Unter den Corona-Bedingungen wurden manche Diskurse immer schärfer geführt und die Corona-Leugner entwickelten sich zu beleidigten Beleidigern. Auch in eine solche Richtung kann sich eine Gemeinschaft, eine Gesellschaft entwickeln. Aber im Hebräerbrief heißt es: Lasst uns einander anspornen zur Liebe und zu guten Werken. Das ist der Weg, den wir einschlagen können! Vor dem Hintergrund und den Erfahrungen der Beschränkungen können wir einander umso mehr begegnen, Anteil nehmen und „aufeinander achthaben”.

Und auch das Wort für den Monat November, in dem schon die Adventszeit beginnt, bittet darum, dass unsere Herzen sich auf die Liebe ausrichten. Es ist die Liebe Gottes zu uns Menschen – der Grund für das Kommen Jesu, das Weihnachtsereignis. Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn sandte, heißt es bei dem Evangelisten Johannes.

Die Liebe Gottes, das ist die treibende Kraft der Gläubigen. Die Liebe Gottes zur Welt, zu Dir und mir, die brauchen wir auch in diesem kommenden Herbst – für uns und für die, die uns begegnen.

Es grüßt Sie
Ihr Pfarrer Ulrich Kastner

Monatsspruch Juli 2021

Gott ist nicht ferne von einem jeden von uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir.

Apostelgeschichte 17, 27


Monatsspruch Juni 2021

Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Apostelgeschichte 5, 29


Liebe Gemeinde

ist das nicht „unmenschlich”? Denn eigentlich war das ja DIE Entdeckung der Renaissance, dass eben nicht mehr Gott und eine göttliche Perspektive im Zentrum des Universums stehen, sondern der Mensch. Und nun plädiert unser Monatsspruch dafür, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Sollen wir also zurück ins Mittelalter – mit der Angst vor der Hölle?

Dabei war es ja gerade Martin Luther, der diese Frage am eigenen Leib erfahren und ausgetragen hat. Die Erfahrung, dass Gott schon bei ihm ist – UM ihn zu segnen und zu befreien –, gab ihm die Kraft, auf dem Reichstag in Worms vor 500 Jahren auch vor dem Kaiser seinen Standpunkt zu vertreten. Gerade in der Person Luthers vollzieht sich der Übergang von der mittelalterlichen Angst vor dem Zorn Gottes zum Glauben an die Güte und Freundlichkeit Gottes – mit dem die Reformation und die Neuzeit beginnt. Da ist es gewissermaßen Gott selbst, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt.

Aber es ist ein Unterschied,ob der Mensch als oberste Instanz des Universums auf sich gestellt ist, oder sich selber wohlwollend und geliebt als ein gesegnetes und verantwortliches Geschöpf Gottes empfängt. Denn mit der eigenen Geschöpflichkeit verbindet sich auch der Gedanke, dass die und der Nächste ja ebenso geliebte Geschöpfe Gottes sind!

Insofern ist Gott auch der beste Anwalt des Menschen, der ihn gegen seinen unmittelbaren Impuls andere abzuwerten, vor sich selbst verteidigt. Auch eingedenk der Tatsache, dass im Namen Gottes schlimmste Verbrechen begangen wurden – denken wir nur an die Inquisition oder die „Conquista” Mittel- und Südamerikas –, bleibt es doch die zentrale Konsequenz der Liebe Gottes zu uns, im Nächsten die Schwester und den Bruder zu erkennen! Gott spricht uns diese Würde und unverlierbare Verbundenheit zu.

Und so gelangen wir zu dem paradoxen Ergebnis, dass es gerade Gott ist, der uns Menschen auch als Menschen erkennen lässt – als „Mit-Menschen”. Miteinander verbundene und aufeinander angewiesene Geschwister auf diesem kostbaren und einmaligen Planeten.

Neben Luther ist auch Dietrich Bonhoeffer zu nennen, der in der Situation der Bedrohung durch das Nazi-Regime im Glauben an Gott die Kraft fand, gegen die Anmaßungen Hitlers Position zu beziehen: Für wen Christus der Herr ist, der kann daneben keinen anderen „Herren” anerkennen. Insofern macht Gott frei von den Anmaßungen anderer – und befreit zu einer Geschwisterschaft von uns Menschen. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Es grüßt Sie
Ihr Pfarrer Ulrich Kastner

 

Monatsspruch Mai 2021

Öffne deinen Mund für die Stummen, für das Recht aller Schwachen!

Sprüche 31, 8



Liebe Gemeinde

Es ist still im Saal. Niemand sagt ein Wort. Aber viele denken sich ihren Teil. Der Leiter ist laut geworden, das ist nichts Neues. Dass er einen der Mitarbeiter vor versammelter Mannschaft anbrüllt, das kennen viele schon. „Man braucht halt ein dickes Fell”, sagen die einen. „Das muss zum anderen Ohr wieder rausgehen”, sagen die anderen. Und so manch einer bietet dem Leiter Paroli, lässt sich nichts gefallen, lässt sich nicht einfach unterdrücken. „Der Leiter ist auch nur ein Mensch, auch wenn er viel zu sagen hat”, antworten diese auf Nachfragen.

Doch beim gerade Angebrüllten ist es anders. Er kann kein Paroli bieten. Dieses Selbstbewusstsein hat er nicht. Die Stärke, für sich selbst einzutreten, ist für ihn undenkbar. Zu unsicher ist er in dem, was er tut. Zu bewusst ist er sich seiner Fehler. So sitzt er stumm auf seinem Stuhl, den Blick gesenkt und versucht verzweifelt, sich zu beruhigen. Manchmal erwischt er sich bei dem Gedanken: „Vielleicht hat der Leiter Recht. Vielleicht darf man mich so behandeln.” Die anderen haben ja auch nicht eingegriffen.

Die Sitzung geht weiter, die wichtigen Themen werden besprochen.Von dem Angebrüllten hört man nichts mehr. Es fragt auch keiner. Der Angebrüllte sitzt stumm in der Runde und guckt nur hin und wieder verstohlen zu den Kollegen. Aber er sieht: Hier hat keiner einen Blick für den anderen, hier kann keiner die Welt mit eines anderen Augen sehen. Nicht einer der Kollegen schaut zu ihm.Kein freundlicher Blick. Kein aufmunterndes Lächeln. Für die Kollegen scheint der Zwischenfall vergessen. Dabei wäre es so ein großer Trost, würde nur einer von ihnen herschauen. Sie würden sehen, wie tief der Leiter den Angebrüllten getroffen hat. Aber jeder muss hier für sich selbst einstehen, das haben die Kollegen immer wieder gesagt. Trotzdem denkt der Angebrüllte, wie schön es wäre,wenn einer von den Kollegen etwas sagen würde.Wenn einer von denen, die den Mut für Paroli haben, endlich offen ansprechen würde, dass auch Gruppen- und Geschäftsleiter Respekt zu bringen haben. Jeder Mensch ist wertvoll, gleich welche Position er in dieser Welt innehat.

Öffne deinen Mund für den Stummen,für das Recht aller Schwachen!

Die Welt auch mit den Augen des anderen sehen können: was braucht er, wie sieht die Situation gerade für ihn aus? Ich glaube, diese Fragen sind wichtige Elemente der Nächstenliebe, so wie Jesus sie gelebt und gepredigt hat. Es gibt so viele leise Stimmen, die überhört, so viele sprachlos Gewordene, die übersehen werden. Und nicht jeder hat den Mut oder die Stärke, für sich selbst einzutreten.

Umso schöner ist es, wenn wir mit einem aufmerksamen Blick und einem mitfühlenden Geist die Gelegenheit nutzen,für einen anderen einzustehen oder eine Sache stark zumachen,auch wenn sie nicht uns betrifft. „Es ist nicht gut, wenn der Mensch allein sei.” Dieses Gotteswort steht bereits über der Schöpfung des Menschen. Das meint nicht nur das Leben generell,sondern auch den Kummer. Es ist nicht gut, dass der Mensch im Kummer allein sei oder in der Sorge oder in der Not. Die Liebe Gottes zu den Menschen drückt sich auch in unserem Miteinander aus. Darum wünsche ich uns, dass Gott uns seinen aufmerksamen und mitfühlenden Geist schenken möge, wenn ein Sprachloser unsere Stimme braucht. Und ich wünsche uns einen solchen mitfühlenden Geist,wenn uns selbst die Stimme versagt.

Es grüßt Sie
Ihr Pfarrerin franziska Roeber

 

Monatsspruch Februar 2021

Gedanken zur Jahreslosung

Jesus Christus spricht:

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist."

Lukas 6, 36


EIN SCHÖNES NEUES JAHR!


Liebe Gemeinde,

alles neu macht nicht erst der Mai, sondern Gott!

Und deshalb wollten wir im Redaktionskreis auch gar nicht bis Mai warten, sondern jetzt schon loslegen: Das wird eine SCHÖNE Ausgabe, dachten wir uns. Und wir wollten eben mal das ganze leidige Thema des letzten Jahres hinter uns lassen.

Ganz so einfach wird es vielleicht nicht. Aber deshalb lesen Sie in dieser Ausgabe viele Artikel über Schönes, gute Vorsätze, Pläne und so weiter.

Zunächst freuen wir uns sehr, dass sich die neue Pfarrerin Franziska Roeber vorstellt. Sie tritt die Nachfolge von Pfarrer Sven Täuber an, der seit August letzten Jahres Pfarrer in Neuenhagen ist. Herzlich willkommen,Franziska Roeber!

Im neuen Jahr hat die Kampagne #bzw – christlich und jüdisch begonnen.Aus der Idee, die bei uns ihren Anfang nahm, ist eine bundesweite Aktion geworden, die eigene „Kinder” hervorgebracht hat: Zu den Themen der von Uwe Baumann gestalteten Plakaten wird es jüdisch-christliche Diskussionsrunden geben. Und in diesem – schönen – Heft werden Sie noch anderes lesen: Kochrezepte, Bilder, Gebetstage und so weiter, und so weiter.

Ganz besonders aber geht es um das neue Jahr! Und natürlich wissen wir noch nicht, was es uns bringen wird.Aber wir können wissen, WER es uns bringen wird: Das ist Gott. Und mit ihm gehen wir in dieses neue Jahr, das ER uns schenkt. All das, was wir uns vornehmen und planen – und irgendwann hoffentlich durchführen können–, wird es uns froh machen? Na, bestimmt, wenn wir wieder mal verreisen können! Aber kommen wir damit auch weiter?

Die Losung für das neue Jahr stammt aus einem Wort Jesu: Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist. Dieses Wort enthält den Kern des Glaubens. Und der Glaube ist in seinem Innersten eben kein Tun, keine Aktivität oder Leiden, kein Entsagen und Dulden, sondern der Glaube ist ein Empfangen! Ein Annehmen, und zwar ein wechselseitiges: Ich nehme an, dass ich angenommen bin! Gott nimmt uns an – das haben wir doch gerade zu Weihnachten gefeiert. So sehr nimmt Gott uns Menschen an, dass er seinen Sohn in der Krippe sendet. Und von dem, was wir empfangen, davon können wir etwas abgeben.

Gott ist barmherzig – also seid auch ihr barmherzig! Das ist vielleicht eine schöne Voraussetzung für ein schönes neues Jahr: Seien wir barmherzig mit uns – denn Gott ist barmherzig zu uns.Und geben wir davon weiter, indem wir mit anderen barmherzig sind. Gott will auf uns nicht verzichten, sondern uns mit hineinnehmen, damit auch wir dabei sind! Das ist doch ein gutes Motto für dieses neue Jahr!


Ihr Pfarrer Ulrich Kastner

 

Monatsspruch Dezember 2020

Brich dem Hungrigen dein Brot,

und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus!

Wenn Du einen nackt siehst, so kleide ihn,

und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut.

Jesaja 58,7


Liebe Gemeinde,

wieder wird es Weihnachten. Aber das letzte Jahr brachte einige unvorhergesehene Wendungen. Und ob wir Weihnachten wie gewohnt feiern können, ist noch ungewiss.

So ähnlich stelle ich mir die Biedermeierzeit vor mit ihrem Rückzug ins Private. Und auch wir werden uns in diesem Jahr eher auf die kleinsten Kreise beschränken: Kochen, Renovierungen in den eigenen vier Wänden, aufräumen, und – wer kann – auch von zuhause aus arbeiten.

Aber das gilt nur für die, die eigene vier Wände haben. Das sind nicht alle. In der Bibel gilt der besondere Schutz immer denjenigen, die keine eigene Bleibe haben: „Die im Elend ohne Obdach sind”. Ohne ein Dach über dem Kopf ist man immer in einer schlechten Position – das war schon zu allen Zeiten so. Und das dritte der zehn Gebote gebietet die Ruhe am Feiertag auch für die „Fremdlinge”. Auch für sie gilt der Arbeitsschutz des Sabbats. Auch sie sollen einmal in der Woche nur für sich da sein dürfen – auch sie stehen unter dem Schutz Gottes.

Der Hinweis auf die Notleidenden zielt ab auf die Bedürftigen. Ihnen soll geholfen werden. Aber die Hinwendung zu den Armen macht einen auch selber froh. Wer teilen kann, ist wirklich reich! Das ist keine Frage des Besitzes, sondern des Herzens. Eine Dame aus unserer Gemeinde sagte einmal, sie könne nicht mehr viel tun,um anderen zu helfen – aber lächeln, das kann sie!

Wenn wir ein wenig von dem abgeben, was wir selbst zu viel haben, so kann das viel bewirken. Die Gabe zählt, aber auch das Geben: Die Geste. Ich sehe Dich, ich erkenne Dich und ich gebe Dir. Es ist diese Haltung, die wir zu Weihnachten feiern. Da ist es Gott, der zu uns kommt – und sich selbst gibt, indem er Mensch wird.

Und es sind diese Sätze des Propheten Jesaja, die auch für die Weihnachtsgeschichte gelten, mit der wir Marias und Josefs gedenken, die unterwegs waren: Ohne Obdach und in der Not der nahen Geburt. Es ist eine bleibende Aufgabe. Und auch wir hoffen darauf, eines Tages bei Gott zu sein. „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen”, sagt Jesus. Auch das können wir zu Weihnachten feiern.


Ihr Pfarrer Ulrich Kastner

 

Monatsspruch Oktober 2020

Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn;

Denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s auch euch wohl.

Jeremia 29,7


Liebe Gemeinde,

in diesem Jahr begehen wir nicht nur 30 Jahre der deutschen Einheit, sondern auch 100 Jahre von Großberlin. Bis 1920 die umliegenden Ortschaften zu Berlin „eingemeindet” wurden, lag Grünau in der „Mark“ und Bohnsdorf gehörte einem Gutsbesitzer. Charlottenburg war zeitweilig sogar größer und hatte mehr Einwohner als Berlin. Aber seit dem Inkrafttreten des Groß-Berlin-Gesetzes vom 27. April 1920 sind die Grünauer und Bohnsdorfer nicht mehr ganz so JottWeDe.

Suchet der Stadt Bestes und betet für sie, ruft der Prophet Jeremia. Allerdings hatte er dabei nicht so sehr die aufgeweckten Berlinerinnen und Berliner im Blick, sondern seine deprimierten Landsleute. Einwohner Jerusalems, die von der Weltmacht der Babylonier im Jahr 587 vor Christus besiegt und in das Exil am anderen Ende der Welt verschleppt worden waren. Da sitzen sie „an den Ufern Babels” – wie es erstaunlicherweise die Popgruppe BoneyM in den 1970er Jahren gesungen hat: „By the rivers of Babylon” – und trauern. Ausgerechnet sie, die in der fremden, bedrohlichen Stadt gegen ihren Willen in einem Ghetto leben müssen,sollen nun das Beste für diese Stadt suchen und für sie beten! Doch der Prophet sieht das ganz praktisch, denn wenn es der Stadt gut geht, dann geht es auch ihnen gut. Selbst im Exil soll und kann man beten. Ganz im Gegenteil, mussten sie es sogar. Denn allein dadurch, dass sie an ihrem Glauben, an ihrem Gott festgehalten haben, konnten sie bestehen. Zahlreiche andere Kulturen der damaligen Zeit haben sich aufgelöst und ihre Spuren lassen sich heute nur noch in Museen besichtigen. Israel hat jedoch festgehalten an seinem Glauben, an seinem Gott. Und heute gibt es das Land Israel als einen selbständigen Staat. Allein in seinem Bestehen ein „stummer Zeuge” für die Güte und Treue Gottes.Trotz aller Widrigkeiten und der blutigen jüdisch-christlichen Geschichte.

Das Beste der Stadt zu suchen und für sie zu beten, das versuchen auch wir als Gemeinde. Nun sind wir alles andere als im Exil. Umso mehr gilt dieser Aufruf Gottes, sich um seine Stadt zu kümmern. Und in dieser Ausgabe des WEINSTOCKS lesen Sie von verschiedenen Aspekten der Arbeit: Über die Wiedervereinigung vor 30 Jahren, über das Friedenskonzert am 9. Oktober, dem Jahrestag des Anschlags auf die Synagoge in Halle, über ein großartiges Konzert zu den Vertonungen des Ave Maria, über den Tag des offenen Denkmals, über Bücher aus Berlin, über das Innehalten in der Stadt, über Vorträge und Kochrezepte. All das mag dazu beitragen, dass es Ihnen gut geht – und der Stadt, in der wir leben.


Ihr Pfarrer Ulrich Kastner

 

Monatsspruch August 2020

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin;
Wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.
Psalm 139,14

Liebe Gemeinde,

nun ist es doch Sommer geworden! Bei allen Vorsichtsmaßnahmen und Absagen von Veranstaltungen. Aber eben sie haben es uns ermöglicht, dass wir relativ glimpflich durch die Krise gekommen sind: Wie anders verliefen die Infektionen in anderen Ländern, z.B. im sonst gern bereisten Urlaubsziel Italien?

Insofern haben wir Grund zur Dankbarkeit. Ich danke dir, Gott, dass ich wunderbar gemacht bin, heißt es im Spruch für den Monat August. Es ist so eine Betrachtung, die ganz innig ist. Als ob die Beterin allein auf einem Berg sitzt und über das Leben nachdenkt. Und schließlich kommen die Gedanken zurück an ihren Ausgangspunkt: zu sich selbst. Das hektische Treiben des Alltags ist ausgeblendet. Da sind nur die Natur, ihr Schöpfer und der Beter. Eine Situation, wie sie selten gelingt. Vielleicht beim Blick in den Sonnenuntergang, am Meer.

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke, das erkennt meine Seele. Die Behauptung, wunderbar zu sein, ist keine Eitelkeit, keine Selbstbespiegelung und keine Angeberei. Sondern es ist die dankbare Zustimmung, mit der eigenen Existenz in den Zusammenhang der ganzen Schöpfung zu gehören. Wenn Gott alles gut geschaffen hat, dann gilt das wohl auch für mich – ich bin auch so einer. Auch ich darf dazugehören.

Nun kann man fragen, ob das denn stimmt? Ist es tatsächlich so, dass alles wunderbar ist? Nein, gewiss nicht! Ganz bestimmt ist nicht alles wunderbar. Und es ist eben die Bibel, die uns immer wieder darauf hinweist, das Leid und die Not anderer nicht zu übersehen, sondern auch die praktischen Nöte in den Glauben einzubeziehen. Und sie nicht etwa für etwas zu halten, das man vernachlässigen könnte. Nicht umsonst weist Jesus schon im Vaterunser auf die Notwendigkeit für das tägliche Brot hin! Auch das ganz alltägliche Leben gehört zum Glauben dazu! Aber dieses Wort aus den Psalmen gibt dem täglichen Leben einen verborgenen Glanz: Auch in den praktischen notwendigen Verrichtungen liegt etwas von der wunderbaren Schöpfung Gottes. Sie sind nicht einfach nur Strafarbeiten, sondern haben etwas von der Würde der Schöpfung. Gott erinnert uns daran, dass wir – in allem Trubel des Alltags – wunderbar „gemacht” und gemeint sind!

Gott spricht einem jeden Menschen diese Hoheit zu. Auch dem Pflegebedürftigen und dem oder der Pflegenden. Wie leicht gerät das aus dem Blick, wenn vieles bewältigt sein will? Und erst in den ruhigen Momenten des Urlaubs und anderer Ausnahmezustände sinnen wir darüber nach, wenn wir die „Seele baumeln lassen”. Dann aber spüren wir etwas von der Nähe Gottes mit unserer Seele.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie in diesen Sommermonaten davon etwas aufnehmen können, wieviel Wunderbares Gott in einen jeden hineingelegt hat.


Ihr Pfarrer Ulrich Kastner

 

Monatsspruch Juli 2020

Der Engel des Herrn rührte Elia an und sprach:
Steh auf und iss!
Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
1. Könige 19,7

 

Liebe Gemeinde,

Gott will, dass wir Leben haben!
So einfach das klingt, so fraglich scheint es manchen, die darüber spekulieren, ob Krankheiten nicht " Strafen Gottes " wären. Als ob Gott nichts besseres zu tun hätte, uns Menschen Krankheiten und Verderben zu schicken. Doch so ist es nicht! Dass Gott ein erfülltes Leben für uns Menschen will, können gerade wir Christen wissen, seit Karfreitag: Gott bleibt bei uns Menschen, obwohl wir ihn ans Kreuz schlagen.

Dass Gott Leben will, das erfährt hier der Prophet Elia. Der Engel Gottes berührt ihn und spricht zu ihm. Vielmehr ermutigt er den Elia: Steh auf. Der Glaube macht nicht ohnmächtig und betäubt, sondern aktiv,
" Steh auf "!
Und weiter spricht der Engel zu dem Schwachen: Iss! Und damit ist nicht nur die Sorge um sein Überleben gemeint, sondern auch seine Zukunft: Stärke dich! Und dann weitet der Engel den Blick: Heraus aus der momentanen Situation der Trostlosigkeit - auf den Weg, der vor ihm liegt. Da ist ein Weg! Es geht weiter!
Der Prophet war in ein tiefes seelisches Loch gefallen: Gott hatte ihm den Sieg geschenkt und ein Wunder durch Elia getan. Doch nach diesem Erfolg über 400 falsche Propheten, musste er flüchten und um sein Leben fürchten. So geriet er in die Wüste und verzweifelte. Er wollte sein Leben aufgeben und sterben.
In DIESER Situation begegnet ihm der Engel und spricht zu ihm: Steh auf und iss! Und so geschieht es. Elia stärkt sich und geht weiter. Er erfährt Gott am Ziel noch einmal ganz anders - tiefer und ergreifender als bei dem gewaltigen Wunder zuvor: Gott begegnet ihm in der Stille.

Nun könnte man einwenden: Zu mir ist noch kein Engel gekommen. Doch Obacht! Die Engel in der Bibel sind durchaus nicht auffällig. Im Gegenteil muss man eher aufpassen, dass man sie nicht übersieht: Flügel brauchen sie nicht, auch kein weißes Gewand, nicht mal eine Harfe. Engel sind vielmehr Boten, die etwas von Gott ausrichten. Und zu Engeln werden die Boten durch ihre Botschaft. Sie bringen oder sagen etwas, das wichtig für uns ist, das Not tut. Ein Engel ist der, der uns auf neue Gedanken bringt. Dass es Engel waren, die uns begegnet sind, merken wir daran, wenn wir neue Möglichkeiten für uns entdeckt haben.
Der Clou ist doch, wenn wir einander zu " Engeln " werden! Wir vermitteln einander etwas von Gottes Liebe und Größe. Und die äußert sich darin, dass wir Leben haben.


Ihr Pfarrer Ulrich Kastner

 

Monatsspruch Mai 2020

Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat,
als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.
1. Petrusbrief 4, 10

 

Liebe Gemeinde,

Die Kirche, die Gemeinde des Herrn ist eine Zeugnis- und Dienstgemeinschaft. So habe ich sie kennengelernt
und darum bin ich geblieben. ‚Die bunte Gnade Gottes‘, so wird dieser Vers gerne überschrieben. Die von mir
so geschätzte Lutherübersetzung der Bibel hat mit „mancherlei Gnade“ einen schönen Klang.

Aber „vielfältig, bunt“ trifft’s schon eher. Und so vielfältig und bunt wie Gottes Gnade, ist auch das, was er gibt; alle
Menschen besitzen Fähigkeiten! Sie wurden uns von Gott - oder besser: vom Heiligen Geist – gegeben.

Paulus nennt sie darum Geistesgaben. Im 1. Petrusbrief geht es vor allem darum, wie wir Christen diese
Fähigkeiten einsetzen. Eine jede und ein jeder möge genau das einbringen, was Gott gegeben hat, und
zwar füreinander, miteinander und als ganze Gemeinde gemeinsam zum Lobe Gottes

Was mag das in unserer Gemeinde sein? Von den musikalischen Fähigkeiten der Gottesdienstbesucher weiß
ich und hoffe sie werden nun mit der neuen Orgel noch viel schöner erblühen. Der Chor braucht einen Neustart;
wer bringt sich noch ein? Wie steht es mit den diakonischen und politischen Gaben?

Und die Gemeinde lebt ganz bestimmt in den vielen kleinen Dingen. Keiner, oder nur wenige sehen sie – und
ohne ginge es einfach nicht! Ich vermute, die Liste ist lang….

Der 1. Petrusbrief macht ganz deutlich, dass diese Gaben nicht so sehr dazu da sind, vor den Anderen zu glänzen.
Klar, niemand will sich blamieren. Aber: dient einander, wenn ihr diese Fähigkeiten einsetzt. Damit unterscheidet
Ihr Euch von vielen; bei uns geht es nicht um Konkurrenz! Zeigt der staunenden Welt um uns herum, dass Ihr bunt
seid und zugleich einheitlich, d.h. für den einen Herrn.

So könnte man die Aufforderung wiedergeben, die der Monatsspruch im Mai allen Christenmenschen mitgibt.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit und doch muß sie immer wieder und mit viel Dank, ausgesprochen werden.

Denn eines weiß ich gewiss: Gott gibt so viele Gaben, wie er uns auch in vielfältige Herausforderungen führt.
Und die treuen Haushalter der bunten Gnade Gottes wissen: wenn das Bunte aufleuchtet und wir eins sind im Herrn,
dann ist Gottes guter Geist in seiner Gemeinde mächtig.

Ihr Pfarrer Sven Täuber

 

Monatsspruch April 2020

Es wird gesät verweslich und wird
auferstehen unverweslich
1. Korinther 15,42

 

Monatsspruch März 2020

Jesus Christus spricht:
Wachet!
Markus 13,37

 

Monatsspruch Februar 2020

Ihr seid teuer erkauft, werdet nicht
der Menschen Knechte.
1. Korinther 7,23

 

Liebe Gemeinde,

da war ich zuerst doch sehr erstaunt! Ein besorgter Vater kommt mit seinem schwer epilepsiekranken
Kind zu Jesus dem Arzt, klagt sein Leid und seine Sehnsucht und seine Enttäuschung: wenn Du etwas
kannst, so erbarme dich und hilf uns! Und er bekommt die wenig einfühlsame Antwort: " Alles ist möglich,
dem der da glaubt. " Vers 24 " Sogleich schrie der Vater des Kindes: ich glaube, hilf meinem Unglauben! "
Glauben und Unglauben sind so nah beieinander. Dem " Vielleicht " und dem " Aber " entkommen wir nicht.
Glaube und Zweifel sind fast wie Zwillinge, untrennbar, einander bedingend. Und: beides gehört zum
Menschsein! Genauer: es gibt den nötigen gesunden Zweifel und es gibt den zerstörerischen Zweifel.

Zum Epiphaniasfest wird die Erscheinung der drei heiligen Könige gefeiert. Sie sind Astronomen ( wir haben
seinen Stern gesehen ) , Wissenschaftler. Ihr methodischer wissenschaftlicher Zweifel bringt sie voran,
bringt Erkenntnis, bringt Segen. Ihr Nachfragen führt sie zum Ziel. Die mit methodischem Zweifel arbeitende
Wissenschaft ist ein Segen für die Menschheit. Ich wünsche mir viel mehr gesunden Zweifel angesichts von so
viel Oberflächlichkeit bis hin zu Fake - News und Politikern, die die Wissenschaft verachten. Gesunder
Zweifel schützt vor Vereinfachungen bis hin zum Fundamentalismus! Von Erich Fried stammt der weise Satz:
" Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er hat Angst, aber hab Angst vor dem, der dir sagt, er kenne keine Zweifel! "
Als zerstörerischer Zweifel bezeichne ich den existentiellen Zweifel am Sinn des Lebens. Wird sein
zerstörerisches Übermaß nicht erkannt, nicht als " behandlungspflichtig " erkannt, kann das schlimme Folgen
haben.
Zurück zum Vater, der Heilung sucht und seinem Schrei: so viel enttäuschtes Vertrauen, solche Not, so viel
bittere Erfahrung und dennoch gibt er nicht auf. Einmal mehr mal zum Arzt, neue Erwartungen; die Liebe zu
seinem Kind verbietet ihm aufzugeben. Jesus sieht seine Liebe und darum schenkt er Heilung und Wachstum.
Der " erprobte " Glaube des Vaters ist ein wachsender Glaube. Unser Glaube kann auch an Enttäuschung,
Zweifel und Sehnsucht wachsen, denn er richtet sich auf Gott, nicht auf uns. Der Glaube vertraut dem " Vielleicht "
trotz des " Aber ". Dies hat auch Jesus selbst durchlitten, dies erfährt auch der zweifelnde Jünger Thomas.
Glaube und Zweifel und Wachstum werden uns und jeden suchenden Menschen im Neuen Jahr begleiten.

Ihr Pfarrer Sven Täuber

 

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